„War ne 1a Aktion, aber ich vermisse ein wenig den körperlichen Schmerz am Tag danach.“
Stefans denkwürdiges Zitat nach der zweiten Tour einer fünfköpfigen Schar (Stefan, Dominik, Jürgen, Markus, Flo und – Heike), die sich im Oktober aufmachte, um mit unserem geliebten Fluggerät die Berge mit erhöhtem Körpereinsatz zu erobern, bringt die Selbsterfahrungsdimensionen dieser Tage in ihrer ganzen Breite auf den Punkt. Nachdem von den vorangekündigten Kitzbühelern die Projektierung für Anfang Oktober ins weniger corona-riskante Oberösterreich verlegt wurde, war schnell klar, dass weniger Risiko mit mehr Höhenmetern auszugleichen sein wird.
An einem klaren Tag starten wir nach einer wie immer entspannten Anfahrt vom herrlich gelegenen Gleinker See nahe Windischgarsten. In einem Anflug leichter Hybris wird ein Auto an einer perfekten, aber doch etliche Kilometer vom Startplatz entfernten Landewiese geparkt, um das zweite später vom Ausgangspunkt bequem holen zu können. Nachdem der fürsorgliche Stefan auch die Landebierkiste deponiert hat, ist der Tageserfolg bereits in den wichtigsten Belangen gesichert – denken wir.
Der wunderbare, aber vor allem bei Feuchtigkeit gehtechnisch anspruchsvolle Steig zur Dümlerhütte überwindet die ersten 750Hm. Dort offenbaren sich gewisse Diskrepanzen über die Dimensionen einer Pause – auf halber Wegstrecke. Kurzum, oder besser, „langum“, nach gut eineinviertel Stunden ausgiebigen Tafelns und Trinkens setzt sich die Truppe in leicht ritardiertem Verdauungsmodus wieder in Bewegung, um letztendlich frühnachmittags nach einigen Stunden Aufstieg das Gipfelgelände der Speikwiese zu erreichen. Die wilde, ursprüngliche Karstlandschaft des Warscheneckstockes, der Panoramablick ringsum und das herrlich sanfte, flache Startgelände lassen uns alle Mühen vergessen.
Nachdem der ursprüngliche Projektgipfel, das Warscheneck aus der Planung schnell gestrichen wird (nochmal 1,5h bei ungewissen Startmöglichkeiten) mäandert zunächst Stefan stirnrunzelnd hin und her, die Startmöglichkeiten des sehr, sehr flachen, auf den zweiten Blick gar nicht mehr so sanften Reliefs auslotend. Der Wind streichelt nämlich beim Blick in Flugrichtung mehr oder weniger stark unsere Nacken – und dies bedeutet in Kombination mit flachem, durch Felsbrocken verminten Startgelände eine gewisse Herausforderung. Aber hochmotiviert nehmen wir diese an und mäandern gemeinsam zunächst noch die 150Hm zum nächsten Gipfel mit Namen „Toter Mann“. „Nomen est omen“ möchte man meinen, aber keineswegs: Weitere 1,5h streifen wir guten Mutes aufwärts und abwärts, rückenwindig unproblematische Ausflugsschneisen abschätzend, Latschendickicht unbeirrt optimistisch durchpflügend…um dann letztlich gegen 16:30Uhr doch den zweiten großen Tagesordnungspunkt einzuleiten: Romantischer Genussabstieg im Dämmerlicht. Die kurze Bierpause auf der Hütte schon tendenziell schweigsamer auskostend, genießen wir die letzten 2h im schwachen Licht der Handys (Arroganz bzw. Altersdemenz ließ uns die Stirnlampen im Auto zurücklassen) hinab zum Auto, wo wir nach 12 Stunden dann doch mit leichter Einbuße an Frische und Dynamik eintreffen. Landebier, Auto, alles noch da…sogar ein Wirtshaus steht am Wegesrand, und…die Schar ist einhellig der Meinung: Es war ein guter Tag…gerade, weil wir nichts riskiert und aufs Fliegen verzichtet haben. Wegen der rauen Wege und der doch erhöhten konditionellen Anforderungen gibt’s hier das Prädikat: „Dirt Park“
Ein letzter, goldener Oktobertag. „Die Schar“ steht geschlossen und frischen Mutes zum Abmarsch bereit. Jürgen und Stefan sind mit neuen, ultraleichten Hightech-Stöcken bewaffnet und bezüglich der Stirnlampen wurde der Altersdemenz getrotzt. Dann geht alles ganz schnell…nach lockeren 3 Stunden Aufstieg über einen komfortablen Steig, der fast schon an einen Rekonvalezenz-Rundweg der örtlichen Krankenkasse um das Kurzentrum erinnert, trudeln wir leidlich entspannt am Gipfel, einem Gratrücken im Soiernkamm, ein. Mit Speis und Trank wird die tolle Aussicht genossen, doch dann hält uns nichts mehr. Kein Startplatzmäandern, kein Grübeln über das Verhältnis von Gefälle, Windrichtung, Laufgeschwindigkeit und Verletzungsrisiko, nein, der Wind steht an, nein, mehr noch, die Thermik trägt uns mit deutlicher Überhöhung in den blauen Herbsthimmel und lässt uns eine Stunde lang schwelgen. Gut gelandet können wir die heute „gerne ertragene Leichtigkeit des Seins“ gar nicht glauben. Prädikat hier: „Kurpark“.
Und beim Biergartenbesuch am Kochelsee befinden wir: Beide Touren zusammen ergeben ein Gesamtkunstwerk, in dem sich alles wiederfindet, was Hike&fly ausmachen sollte. Auf ein Neues in 2021…und, die Schar ist offen für Alle, die beim Lesen Sehnsüchte entwickelt haben!
…und wer jetzt Heike ist? Warum ist die Gute nie auf den Bildern? Haben die liierten Gleitschirmrecken hier ein süßes gemeinsames Geheimnis? Dieses Mysterium kann nur Dominiks Textkorrektur im gleichnamigen Threema-Chat aufklären…
Text und Fotos: Flo / Dominik